Rückblick: Zivilstation


2016 war der letzte Eintrag. Vier Jahre später hat sich vieles getan. Was in dieser Zeit alles geschehen ist, wird vielleicht an anderer Stelle erzählt.

07. Juni 2020
Mitten in der Coronakrise, zwischen überlasteten Servern im Homeoffice und dem seltsamen Gefühl bereits sechs Monate des Referendariats hinter mir zu haben.

Wie waren die sechs Monate in der Zivilstation?
Einen Monat zu lang. Normalerweise dauert diese Station nur fünf Monate an, doch auf Grund der Tatsache, dass ab Mitte März 2020 dem Alltagsleben die Geschwindigkeit genommen wurde, verlängerte sich die Station sich in meinem Fall um einen weiteren Monat.

Wie verlief die Zivilstation bei mir?
Ich hatte Glück gehabt. Glück mit der Arbeitsgemeinschaft. Glück mit den neuen Leuten, die ich hier kennengelernt und liebgewonnen habe. Glück mit meiner Einzelausbilderin. Tatsächlich auch Glück mit den Bibliothekarinnen am Gericht.

Meine Arbeitsgemeinschaft besteht aus 20 Referendaren. Kennengelernt haben wir uns im zweiwöchigen Einführungslehrgang zur Zivilstation am Landgericht. In den ersten Stunden war einiges an organisatorischen Dingen zu erledigen (viel Bürokratie!), sodann ging es recht flott ins Eingemachte. Die Zivilprozessordnung. Natürlich wurde einiges wiederholt, vieles aber vorausgesetzt.

Sollte einer von euch demnächst das Ref starten und vorher noch Zeit haben - wiederholt ZPO. Ich hätte es zumindest machen sollen.

AG hatten wir immer einmal wöchentlich. Nach jeder AG-Einheit gab uns unser AG-Leiter eine Übungsakte mit, die wir zu Hause bearbeiten sollten. Die Ergebnisse wurden immer in der darauffolgenden Woche besprochen. Das fand ich persönlich ganz gut, denn so konnte ich den "neuen" Stoff an praktischen Fällen (besser) lernen. Letztlich ging es darum, zu lernen ein Urteil zu verfassen. Auf einmal stand der Gutachtenstil nicht mehr im Vordergrund, sondern der Urteilsstil. 

Was war es für ein cooles Gefühl das erste mal "Im Namen des Volkes - Urteil" zu schreiben.

Was hat mir gut gefallen an der AG?
Wir schrieben am Anfang jeder Stunde einen Wiederholungstest. Dies zwang mich dazu auf jeden Fall die Themen der AG-Stunden zeitnah nachzubereiten. Zudem gab der Test einen guten Überblick über die behandelten Themen.
Nun weiß ich nicht, ob ich es gut oder schlecht fand, doch die Tatsache, dass mein AG-Leiter einen Overheadprojektor nutzte, statt einer Powerpointpräsentation, zwang mich immer so gut wie möglich zuzuhören und alles mitzuschreiben. Er neigte leider auch dazu die aufgelegten Folien schnell wieder herunterzunehmen.

Müssen Leistungen in der AG erbracht werden?
In der Zivilstation schreibt man vier Klausuren. Zudem hielt jeder von uns einen Aktenvortrag. Ebenso zählt auch die mündliche Beteiligung in den AG-Stunden. Am Ende jeder Station wird ein Zeugnis ausgestellt.

Warum hatte ich Glück mit meiner Einzelausbilderin?
Sie ist eine Richterin am Amtsgericht mit langjährigen Erfahrungen. Dadurch, dass sie vorher auch als Anwältin tätig war, konnte sie mir zwei Sichtweisen eines Falles verständlich nahebringen. Zudem haben wir uns gut verstanden. Sie gab mir immer das Gefühl, dass ich sie jederzeit kontaktieren könne, wenn ich Fragen habe, oder bei einem Problem hängen geblieben bin. Ich begleitete sie zu den Sitzungen, zu denen ich die Akten vorher gelesen und ggf. auch bearbeitet habe.
Vorwiegend hatte ich Verkehrsunfälle und Mietsachen zu bearbeiten. Das sind beim Amtsgericht auch tatsächlich die mit Abstand häufigsten Fälle. Manchmal kam eine Kaufrechtsache dazu, was jedoch rar war. Natürlich gab es auch interessantere Fälle, wie z.B. einen Flugrechtsfall mit Beweisaufnahme mittels Zeugenvernehmung.

Müssen Leistungen in der Einzelausbildung erbracht werden?
Ja. Vorgesehen sind sechs Arbeiten zur Abgabe und Benotung durch den Einzelausbilder. Meine Ausbilderin wollte jedoch sieben - acht Arbeiten von mir haben, sodass sie eine größere Auswahl an Arbeiten hat und ggf. die schlechteste Arbeit bei der Bewertung außen vor lassen kann. Die Arbeiten bestehen häufig darin ein Votum zu schreiben, ein Urteil zu verfassen oder einen Beschluss zu entwerfen. Ich habe insgesamt sechs Urteile und einen Beschluss als Arbeiten abgegeben. Am Ende der Einzelausbildung gibt es ebenfalls eine schriftliche Beurteilung.

Mit welchem Material habe ich gelernt?
Zwar bekamen wir in der AG auch Unterlagen, doch diese haben mir nicht so viel geholfen. Ich habe vor allem meine Lücke in der ZPO mit Skripten und dem Anders/Gehle aufgearbeitet. Letzteres war mir jedoch nur ordentlich möglich durch die Pause, die Corona uns allen bescherte. Durch das Durcharbeiten des Lehrbuchs habe ich das Gefühl einen besseren Überblick über die verschiedenen Themen und Verbindungen dieser zu haben (ob es wirklich so ist und was gebracht hat…). Vorher versuchte ich dies lediglich mit Skripten zu erreichen, was jedoch sehr mühselig war, aufgrund der Knappheit der Formulierungen. Definitiv verständlicher ist es, wenn zu den bestimmten Themen vorher ein Lehrbuch/Aufsatz gelesen oder idealerweise der AG-Leiter diese Themen verständlich erklärt hat. Ob ich den Anders/Gehle empfehlen würde? Jaein. Es gibt noch den Oberheim, doch fand ich diesen auch nicht viel leichter zu verstehen als den Anders/Gehle. Das Lehrbuch schlechthin gibt es auch nicht. Ob man nun die Skripten von Kaiser oder Alpmann Schmidt zum Lernen nimmt, ist auch wieder eine Geschmacksache.

Das materielle Recht wird im Ref vorausgesetzt, aber in der Zivilstation hat man kaum Zeit für die Wiederholung dessen. Vielmehr lag der Fokus darauf die neuen prozessualen Dinge zu erlernen.
Ich war so froh zum 1. Staatsexamen eine vernünftige Zusammenfassung erstellt zu haben. Ich glich meine Zusammenfassung mit einem Skript über das materielle Zivilrecht im Assessorexamen ab und ergänzte fehlende Schwerpunkte bei mir, sodass die Wiederholung zumindest im Überblick schnell erfolgen konnte. 
Jedenfalls empfehle ich auf jeden Fall das materielle Recht zu wiederholen, wann immer Zeit dafür frei ist. Keine Details, aber die Basics helfen viel.

Besuche ich ein Repetitorium?
Derzeit nein. Mache ich es noch? Ich weiß es nicht. Die Meinungen sind gespalten. Ich sprach mit vielen Volljuristen. Der Großteil von ihnen hat tatsächlich kein Repetitorium besucht, lediglich manche haben Wochenendkurse kurz vor dem Examen belegt. Andere wiederum "schwören" auf das Rep. Ich bin hin und her gerissen. Mein jetziger Stand ist allerdings, dass wenn ich ein Repetitorium besuche, es erst mit Anfang der Anwaltsstation tun werde. 
Was ich derzeit aber schon belege ist ein Online-Klausurenkurs. Die Klausuren schreibe ich noch nicht aktiv mit, aber ich arbeite die Klausuren samt Lösung durch, sofern es mit meinem jetzigen Wissensstand möglich ist. Es hilft denke ich, eine Musterlösung zu lesen, sodass nach und nach das Schema verinnerlicht wird.

Arbeite ich nebenbei?
Nein. Die Zeit habe ich persönlich nicht dafür, wenn ich auch noch vernünftig Lernen und ein soziales Leben abseits der Gerichte haben will. Im Referendariat erhält man als Referendar eine Unterhaltsbeihilfe. Es ist zwar kein Vermögen, jedoch ausreichend, wenn man sparsam und bedacht damit umgeht. Ich komme soweit zurecht. Natürlich ist es aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In NRW erhält man z.B. eine höhere Unterhaltsbeihilfe und es ist günstiger hier zu wohnen, als in Hamburg, wo die Unterhaltsbeihilfe deutlich geringer ausfällt und die Miete um ein Vielfaches im Schnitt höher liegt.
Allerdings weiß ich, dass andere Referendare nebenbei Uni-Klausuren korrigieren als Nebenjob. Ist natürlich auch eine gute Möglichkeit das materielle Recht zu wiederholen und dabei ein wenig hinzu zu verdienen. Letztlich muss jeder das aber für sich entscheiden, ob er/sie zusätzlich arbeiten will oder es sich leisten kann, das nicht zu tun.

All in all:
Freut euch auf das Ref, wenn ihr kurz davor seid. Es ist so ein gutes Gefühl nach jahrelangem Studium endlich Praxiserfahrung sammeln zu können, dabei Dinge aus dem Studium wieder zu erkennen, die tatsächlich relevant sind - Mindermeinungen sind es nämlich nicht mehr. Die Leute sind nett und helfen, keiner will euch etwas Böses.

Mein Tipp an mich, würde ich wieder kurz vor dem Ref stehen:
  • Wiederhole ZPO bzw. lerne ZPO, wenn du es auf Lücke gelernt hast (ich habe es auf Lücke gelernt)
  • Wiederhole das materielle ZivilR in Grundzügen

Mein Tipp an mich, würde ich wieder mitten in der Zivilstation sein:
  • Setze dich schnellstmöglich an die Nachbereitung der AG-Stunden bzgl. der behandelten Themen
  • In der gewonnenen Zeit nach "hinten hinaus" räume dir Zeit für die Wiederholung von ZPO und ZivR ein
  • Mach an einem Tag in der Woche Pause vom Ref und nutze diesen "jurafrei"






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